Die Vision einer sozial gerechten Gesellschaft und der Anspruch ihrer tatsächlichen Umsetzung zeichnete die russische Revolution von 1917 aus. Beide haben im Sinne eines mentalitätsgeschichtlichen Kulturtransfers durchs gesamte 20. Jahrhundert in Europa und anderswo bis heute nachgewirkt. Ging es damals um die Einrichtung einer kommunistischen Lebensform mit proletarischer Kultur und die Kollektivierung von Produktion und Alltag, wird bei heutigen Massenprotesten ein selbstbestimmtes und würdiges Leben eingefordert.
Hannah Arendts kritisierte die russischen Revolution deswegen, weil ihre Führer die soziale Frage zur geschichtlichen Notwendigkeit erklärten, und damit später ihre kompromisslose Gewaltanwendung rechtfertigten. Sie selber sah das Wesen der Revolution in der Koppelung von Freiheit und gewaltlosem Neuanfang. Freiheit, nicht soziale Gerechtigkeit war deshalb für sie die Maxime politischen Handelns und eines tragfähigen Gemeinwesens.
Die Ausstellung Weight of History befasst sich mit dem Verhältnis von Ideal und Wirklichkeit, von Vision und praktischer Umsetzung. Inwiefern ist diese Frage für russische Gegenwartskünstler noch relevant?
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Ausstellungsprogramm:
Do, 12.10.– So, 19.11.2017, Ausstellungszeiten
Do 12.10.2017, 19.00 Uhr, Vernissage Ausstellungseröffnung Galerie 1 und 2, Foyer, E-WERK
19.30 Uhr Vortrag „Vom schwarzen Quadrat bis zur brennenden Türe“ von Wladimir Velminski
Anschließend „Monstration“ | Aktion mit Artjom Loskutow, Nowosibirsk
Fr 13.10.2017, 19.30 Uhr, Artist Talk und Roundtable
Situation der zeitgenössischen Kunst in Russland, Kammertheater
Fr 03.11.2017, 19.30 Uhr, Videokunst aus Russland seit den 1990er Jahren | Video Screening und Gespräch mit Dr. Kathrin Becker (Berlin/ Moskau),
Kammertheater
So 12.11.2017 Filmvorführung: Revolution und Architektur der russischen Avantgarde, Saal E-WERK
18.30 Uhr, Dokumentarfilm: „Fort von allen Sonnen“
(2013)
20.00 Uhr, Performance
Anschließend Artsit Talk und Roundtable mit Regisseurin Isa Willinger in Kooperation mit dem Architekturforum Freiburg e.V.
Kuratiert von Heidi Brunnschweiler
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ÖFFNUNGSZEITEN
Do & Fr 17 h – 20 h | Sa 14 h – 20 h | So 14 h – 18 h
In ihrer künstlerischen Praxis vereint das Chto-Delat-Kollektiv politische Theorie, Kunst und Aktivismus. Ihr Name erinnert an Lenins Schrift Was tun? (Tschto delat?). Gegründet von Künstlern, Kritikern, Philosophen und Schriftstellern aus Sankt Petersburg, Moskau und Nizhny Novgorod greifen sie in Singspielen Schlüsselmomente der Sowjetzeit auf.
Als Kollektiv erproben sie die kommunistische Utopie einer herrschaftsfreien, klassenlosen Selbstorganisation in der Gegenwart.
Arseny Zhilyaev arbeitet mit raumgreifenden Installationen und baut z.B. Wohnzimmer in französischem Stil aus vorkommunistischer Zeit. Sie wurden für die neue Klasse von Oligarchen, die sich durch die Privatisierung von Staatsbetrieben in den 1990er-Jahren gebildet hat, entworfen. Seine Arbeit thematisiert, wie Ideal und Wirklichkeit von Eigeninteressen beeinflusst werden.
Mari Bastashevski recherchiert in ihren Fotoserien Parallelen im Verhalten von alten und neuen Oligarchen auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Dabei wird deutlich, dass Herrschaftsstrukturen überdauern und Freiheit und soziale Gerechtigkeit ideologische Versprechen bleiben.
Gefördert von: Partnerprojekt “100 Jahre russische Revolution, Spurensuche in Deutschland und Europa” im Rahmen der Russischen Kulturtage 2017 in Freiburg und dem Zwetajewa-Zentrum für russische Kultur an der Universität Freiburg e.V., Kulturstiftung des Bundes und der Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung